Dramaturgie durch Sounddesign

Am Sound mangelt es bei vielen Websites, dabei ist Sounddesign die beste Möglichkeit, Dramaturgie und Emotionen zu erzeugen. Doch Sounddesign allein ist nur der halbe Effekt, es muss zusammen mit der Animation und dem Design wirken. Wie kann man Animation und Sound aufeinander abstimmen und dabei noch auf die Ladezeiten achten? Wie entwickelt man ein Sounddesign und was kann man dabei von Filmvertonung lernen?
(Dies ist eine Zusammenfassung von meinem Vortrag auf der Flashforum-Konferenz 2003.)

Sounddesign

Sounddesign arbeitet ähnlich wie Grafikdesign und doch ganz anders. Am deutlichsten wird dies beim Film. Sounddesign soll hier das Bild nicht nur unterstützen, sondern dem Zuschauer Gefühle vermitteln, wie es alleine mit dem Bild nicht möglich ist. Stellvertretend möchte ich dazu zwei Techniken vorstellen:
Die Vertonung von Ereignissen, welche im Bild sichtbar sind, muss nicht immer realistisch sein. Im Film “The Matrix” von Andy und Larry Wachowski ertönt kurz vor Schluss, als Agent Smith den Helden Neo erschießt, zwar das Geräusch einer Pistole, allerdings viel langsamer und tiefer, um diesem wichtigen Moment mehr Dramatik zu verleihen. Ähnlich getrickst wurde kurz vorher beim finalen Duell der beiden Kontrahenten (in der U-Bahn-Station, nachdem Morpheus gerettet wurde). Die beiden stehen sich gegenüber und der Zuschauer sieht dies in der High-Tech-Welt der Matrix. Man hört allerdings typische Geräusche eines Western-Films. Dadurch wird sofort die Assoziation zu “High-Noon” und dem Duell auf der Straße hergestellt.
Durch das Sounddesign wird hier das Bild um eine emotionale Ebene ergänzt, welche dem Zuschauer wichtige Hinweise geben kann; in diesem Beispiel der Hinweis auf den finalen Showdown.
Ebenfalls wichtig ist die Hörperspektive. So wie man mit der Kamera immer nur einen gezielten Ausschnitt aus dem Geschehen zeigt, so kann auch mit Hilfe des Sounddesigns einen Ausschnitt betont werden. Im Film “The Matrix” wird beispielsweise am Schluss, als die Maschinen die Nebukadnezar angreifen, dieser Angriff mit sehr lautem Geräusch vertont. Als jedoch Trinity dann anfängt, Neo von ihrer Liebe zu ihm zu erzählen, werden die Maschinen viel leiser, so wie sie auch im Bild in den Hintergrund treten. So wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers automatisch auf dieses zentrale Moment gelenkt. Durch gezieltes Betonen und Weglassen von Ereignissen wird also der Betrachter geführt und sogar manipuliert.
Was bedeutet das für das Web? Niemand erwartet besonders realistische Geräusche, daher reicht es, wenn das Sounddesign nur eine Stimmung transportiert. Und deshalb reicht es auch, wenn die Sounds stark komprimiert sind. Wenn sie mit der Hörperspektive des Betrachters spielen, müssen sie nicht alle Ereignisse vertonen, sondern könne sich auf einige wenige beschränken. Dadurch wird das Sounddesign effektiver und die Besucher mit Analogmodems freuen sich.

Sounds

Nicht alle Sounds sind gleichermaßen für das Web geeignet. Der Quasi-Standard für das Web ist MP3-Kompression, wie sie auch von Macromedias Flash eingesetzt wird. Manche Sounds klingen MP3-komprimiert besser als andere, deshalb sollten Sie vorher schon bei der Auswahl der Sounds darauf achten.
Vermeiden Sie extreme Höhen, diese gehen bei der Kompression als erstes verloren. Ebenso problematisch sind starke Lautstärkeschwankungen (Dynamik). Es ist nicht so, dass Sie derartige Sounds gar nicht einsetzen sollten, aber eben sparsam. Bringen Sie zu Beginn nur Klänge ohne Höhen, denn die lassen sich leicht komprimieren. Später, wenn Flash mehr Daten geladen hat, können Sie auch Samples mit mehr Höhen und größerer Dynamik spielen. Unterstützt werden Sie dabei durch das Phänomen des relativen Hörens (siehe unten).
Sie müssen auch beachten, dass nicht alle Anwender die gleichen Lautsprecher haben, wie Sie. Probieren Sie deshalb Ihr Sounddesign immer mal wieder auf unterschiedlichen Lautsprechern aus, seien es kleine, käsige Computerboxen, ein Kopfhörer oder ein Surround-System mit Subwoofer. Dieser Vorgang heißt multikompatibles Mischen.

Dramaturgie

Die Forderung nach einer Dramaturgie im Sounddesign heißt “nur”, dass Sie keine Loops verwenden sollen. Eine kurze Musik-Loop, die immer wieder vor sich hin klappert, ist so spannend wie ein Standbild. Stattdessen soll das Sounddesign abwechslungsreich sein und Spannung aufbauen.
Hierbei können Sie sich viel von Chart-Hits abschauen. Jedes Lied fängt nach einem kurzen Intro mit der erste Strophe an, gefolgt vom Refrain. Der Refrain kommt immer nach spätestens einer Minute. Während dieser ersten Minute baut sich die Musik immer mehr auf; nach und nach kommen immer mehr Instrumente hinzu. Diese Steigerung funktioniert natürlich nicht unbegrenzt, deshalb wird die Musik nach dem Refrain kurz etwas zurückgenommen, um dann wieder voll einzusetzen.
Wenn die Strophen A sind und der Refrain B, dann ist ein typischer Popsong folgendermaßen aufgebaut:

A B A B B C B B B B B

Sie sehen, nach dem zweiten Refrain (der meistens wiederholt wird), kommt ein ganz anderer Teil, der C-Teil. Hier kommt noch einmal eine ganz andere Melodie oder ein ganz anderes Element, um das Lied abwechslungsreich zu halten. Das darf aber nicht zu lange sein, um den Zuhörer nicht zu verwirren. Abschließend kommt noch einmal der Refrain, der dann öfter wiederholt wird.
Dieser Aufbau lässt sich in fast jedem kommerziell erfolgreichen Lied wiederfinden. Natürlich können Sie sich davon etwas abschauen. Im Web können Sie am Anfang nur mit kurzen Samples arbeiten, die Sie auch wiederholen. Bauen Sie Spannung auf, in dem Sie mit der Zeit immer mehr Sounds hinzu laden. Bevor es jedoch zu viel wird, nehmen Sie die Spannung wieder zurück. Und bevor es eintönig klingt, bringen Sie ein frisches, anderes Element (welches bis dahin auch Zeit zum laden hatte).

Über Sound sprechen

Zum Schluss noch ein paar Worte zu einem sehr schwierigen Thema: Wenn der Kunde sich das Sounddesign eher mystisch, dunkel und mit Drive wünscht, was heißt das? Wie erklären Sie ihm Ihre Idee zum Sounddesign? Also, wie kann man mit Auftraggebern oder Grafikern, die selbst keine Musiker sind, über Sound sprechen?
Am besten gar nicht. Hören Sie gemeinsam Musik oder Sounds an. Suchen Sie sich CDs heraus, deren Musik Sie sich gut für das Projekt vorstellen könnten und bitten Sie den Kunden, das gleiche zu machen. So kommen Sie leichter auf ein gemeinsames Thema, ohne Musik mühsam in Worte fassen zu müssen. (Natürlich sollen Sie nicht diese Originalmusik einsetzen, es geht nur um die Stimmung.)

Literatur

Ich würde Ihnen jetzt gerne sehr viele Bücher nennen, für den Fall, dass Sie sich mehr für Sounddesign interessieren. Doch leider gibt es nur ein einziges, so dass ich Ihnen ganz schamlos das von mir empfehle. In dem Buch “Sounddesign für das Web” gehe ich auf die hier genannten Themen näher ein und erkläre das Phänomen des relativen Hörens sowie multikompatibles Mischen.