Flash is today’s Pop

Sascha hat mich gebeten, einen kontroversen, philosophischen Artikel über Flash zu schreiben. Mit der Philosophie bin ich gescheitert, aber ich habe immerhin einen Artikel über Flash geschrieben. “Flash is today’s Pop”, dieses Zitat von Peter Lunenfeld ist Programm für die derzeitige Situation von Flash und dem Web.
(Dieser Artikel erschien zur Flashforum-Konferenz 2002.)

Achtung: Dieser Text stellt meine ganz persönliche Meinung dar und ist als solche zu verstehen. Wenn ich dabei ein wenig provoziere, dann ist das gewollt. Die Aussagen in diesem Artikel sind nicht als “allgemeingültig”, sondern als Anregung zur Diskussion gedacht.

Meine erste Begegnung mit Flash

Eine der ersten Flash-Websites, die ich gesehen habe, war Scroll, das Online-Magazin einer amerikanischen Webdesign-Agentur. Darauf aufmerksam geworden bin ich durch den Highfive Award, eine der wenigen Auszeichnungen für gutes Design im Web (in einer Zeit, in der eine solche Auszeichnung noch etwas Wert war).
Der Schwerpunkt des Magazins lag irgendwo zwischen Kultur, Zeitgeist und Kunst; die Artikel waren unterschiedlich aufbereitet. Manche bestanden nur aus Text, andere enthielten kleine Filmchen, teilweise waren sie auch mit dem damals brandneuen Flash 2 umgesetzt.
Bei einem Artikel stimmte einfach alles: Die Animation, die Texte, der Rhythmus, mit dem die Geschichte erzählt wurde — ich war fasziniert! Nachdem ich mir den Artikel das zehnte Mal angeschaut hatte, habe ich einem Freund davon erzählt.

Ich: “Schau Dir das an, das ist sehr gut gemacht.”
Klaus: “Ja, das ist cool, aber warte — ach das ist Flash? Nee, dann ist es ja einfach…”

Dazu sollte man sagen, dass Klaus ein eher technisch orientierter Mensch ist. Natürlich wollte er sofort wissen, wie die Animation gemacht wurde und als er herausfand, dass dahinter kein seitenlanger Javascript-Code stand, sondern “nur” Flash, war er enttäuscht. Ich wollte ihm noch erklären, dass es ja um den Inhalt und nicht um die Technik geht, aber er war schon wieder in seine Datenbank-CGI-Hardcore-Programmierung vertieft.
Das Magazin ist leider nicht mehr online, aber ich habe es noch in guter Erinnerung. Auch der Highfive Award wird nicht mehr verliehen, an seine Stelle sind unzählige “Preise” getreten; manche mehr, die meisten weniger anspruchsvoll.
Was will ich damit sagen?

Das Medium ist nicht die Botschaft.

Es geht nicht darum, wie etwas gemacht ist, sondern was es aussagt. Nicht das Wie ist wichtig, sondern das Was und Warum. Heutzutage verlieren sich viele Designer in Flash-Experimenten, die als einzigen Zweck deren Fähigkeiten demonstrieren sollen. Können wir damit bitte wieder aufhören?

Flash ist überall

Mittlerweile hat sich die Situation ein wenig geändert. Flash ist auf vielen Websites zu finden, jeder Designer hat sein eigenes “Flash-Labor” und Macromedia preist das Plugin als den vollständigen Ersatz von HTML, Javascript und Webbrowser an. Flash ist “En Vogue” in dem Sinne, dass es von den etablierten Medien wahrgenommen wird. Mit Flash werden Musikvideos produziert, Spiele entwickelt und es gibt Ausstellungen von Designern, die ausschließlich mit diesem Programm arbeiten.
Flash hat seine eigene Kultur und grafische Sprache hervorgebracht, welche sogar andere Medien wie Fernsehen, Film oder Print-Design inspiriert. Am meisten beeinflusst Flash aber sich selbst: Mini-Typografie, 45 Grad-Pfeile, flächige 3D-Elemente, all das findet sich in fast jeder zweiten “coolen” Flash-Website wieder. Warum muss jedes zweite Design so aussehen, wie alle anderen davor?
Das sich-inspirieren-lassen oder das andere-Designs-imitieren ist nicht per se schlecht. Niemand hat etwas dagegen, wenn ein Designer andere Stile aufgreift und weiterentwickelt. Aber dass alle die gleichen Websites imitieren, die oft auch nur bessere Kopien darstellen, das kann nicht Sinn der Sache sein (Pro 7, Praystation, 2Advanced, Yugop, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen). So kommen wir nicht weiter.

Das Medium ist bekannt, jetzt geht es wieder um die Botschaft.

Mittlerweile sind Flash und seine Möglichkeiten ausgelotet. Natürlich kommen mit jeder neuen Version auch neue Features hinzu, aber ich denke, wir können uns jetzt wieder auf die Botschaft konzentrieren. Wo sind die neuen Ideen? Wo ist das Design jenseits von The Designers Republic?
(Bitte nicht falsch verstehen, ich finde die Arbeiten von The Designers Republic sehr gut. Aber es ist ihr Stil, nicht der von tausend anderen Designern.)

Flash ist nur das Werkzeug

Flash ist die Leinwand für kreative Ideen. So wie es das Internet jedem Designer ermöglicht hat, seine Werke der ganzen Welt zu präsentieren, ermöglicht es Flash, interaktive Animationen und Filme ohne großen finanziellen Aufwand zu realisieren. Das ist nicht weniger als eine kleine Revolution.
Aber Flash ist nur eine von vielen möglichen Leinwänden. Es gibt viele Programme und Techniken, alle mit ihren ganz speziellen Eigenschaften, die sich als Medium zur Kreativität eignen (der neueste Hype sind Designmagazine im PDF-Format). Warum also Flash?
Eigentlich wäre Flash ideal, das alte Problem im Web zu bekämpfen: Ladezeiten. Doch leider haben viele Designer an diesem Punkt etwas mit dem Web nicht ganz verstanden. Statt dass — dank Flash — eine Datei Modem-freundlich gestreamt wird und sich der Surfer über kurze Ladezeiten freuen kann, packen viele Designer immer mehr auf die Website, mit immer größeren Dateien und Ladezeiten, bis sie schließlich vor ihrer eigenen Arbeit kapitulieren. Das Ergebnis: Ein Preloader.
Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die Flash als eine Gefahr für das Web schimpfen. Die Argumente sind bekannt und man kann es ihnen noch nicht mal verübeln, da es leider wirklich so viele Beispiele gegen Flash gibt. Es macht nun mal keinen Sinn, eine textlastige Website in Flash umzusetzen, oder gar einen Online-Shop.
Die Debatte “aufwendiges Design oder pure Information” ist für das Web schon entschieden. Man vergleiche nur die Zugriffszahlen von Hotbot und Google.

Das Medium ermöglicht die Botschaft.

Jedes Medium bietet Möglichkeiten, ist aber gleichzeitig auch eine Einschränkung. Mit jeder Entscheidung für ein bestimmtes Werkzeug beeinflusse ich gleichzeitig das Ergebnis meiner Arbeit.
Nicht jedes Medium ist für jede Botschaft geeignet. Sowohl das Web, als auch Flash eignen sich als Medium für sehr viele Botschaften. Aber ich bitte sehr darum, Flash als Werkzeug nicht zu vergewaltigen. Und ich will keine 2 MB-Intros mehr sehen!

Flash ist noch nicht verloren

Wenn ich nach diesem Artikel nicht mindestens 10 E-Mails bekomme, die mich vom Gegenteil überzeugen wollen, dann habe ich etwas falsch gemacht.
Natürlich habe ich manches übertrieben und schwarz gemalt. Ich hoffe, dass so meine “Botschaft” ankommt. Wir brauchen mehr Ideen, wir brauchen keine schlechten Kopien und wir brauchen Designer, die das Web als Medium respektieren. Ich denke, das ist ein realistisches Ziel.